AscheMond / Opera by Helmut Oehring / Staatsoper Berlin, 2013 / here: Trailer
Text by Staatsoper:
Helmut Oehring and Stefanie Wördemann call AscheMOND 'a hmyn to fugacity', an opera in the course of a summer night and at the same time in the endless flow of the seasons, which nevertheless does bring some things to an end. In the words of Heinrich Heine, 'Our summer is but winter painted green.' The overarching motif of the opera is the solar eclipse. The constellation in which the sun and the moon (man and woman) come closest to one another, before they both go their own way through the day and the night. Eclipse: superimposition, concealment, annihilation. In the words of Helmut Oehring, 'AscheMOND opera is about a state of uncertainty between this world and the next, life and death, love and loss. Between the enchanting beauty and strength of life and its constant everyday invalidation and existential threats.'
Claus Guth reacts to Oehring's score with a fragmentary story that was conceived in a parallel process. A man returns to the home of his childhood: how did the suicide of his mother come about? Her diary offers ways to understand, yet also poses new riddles. The man once again becomes the young boy from way back when the funeral took place...the stream of memories/ dream images/ speculation begins to flow: there was the birthday party shortly beforehand...Is that how it was? Or was it perhaps like this? What happened? A woman (the mother) and her husband (the father), her sister and her husband, a friend. The heart and soul of the home, and the boy who tries to understand: then and now.
Zaide - ADAMA / Opera by W.A.Mozart and Chaya Czernowin / Salzburg Festival, 2006 / here: Trailer
Tagesspiegel, 28.8.2006:
Es gehört zu den eindrücklichsten Momenten dieser heiklen, wichtigen
Salzburger Mozart-Premiere, wenn Regisseur Claus Guth und seine Videokünstler
Alex Buresch und Kai Ehlers in dieser Szene alle Projektionen rückwärts laufen
lassen. Bilder aus dem heutigen Palästina, dem heutigen Israel, Menschen in
Städten, Fahrten über ein störrisches, karstiges Land, Minarette, Panzer, die
Mauer. Rückwärts, das heißt: die Zeit, die Geschichte zurückzudrehen, auf Anfang,
immer schneller, bis das Jahr 1948 wieder erreicht sein wird, die Wurzel des
Nahost-Konflikts. Gegen diese innere Uhr, gegen das Diktat 'seines' kollektiven
Gedächtnisses ist der Einzelne machtlos. Ein Gnom im Kampf der Gewalten. Und
keine Liebe zählt.
Klug verarbeitete Videos aus Palästina: realistisches Material mit
Derealisierungs-Effekt. Der schwierige Montage-Habitus der Doppeloper gab Claus
Guth keinen Anlass zu interpretatorischen Genietaten, doch erwies sich seine
Optik als zuverlässiges Gerüst einer in ihrer brüchigen Disparatheit paradox
mustergültigen Stück - und Formkombination.
Das Beben / Opera by Awet Terterjan / Theatre at Gärtnerplatz, 2003 / here: Trailer
Gerhard Rohde, FAZ, 18.März 2003:
Eine eigenartige Magie geht oft von dieser Musik aus, etwas Fernes, Fremdes,
Verlorenes, Schicksalhaftes. Und das Faszinierende dabei: Irgendwie ist diese
Musik, sind diese Töne, Eruptionen, Klangsensibilisierungen Kleists Dichtung
erstaunlich nahe. […] Eingebettet war alles in eine Inszenierung ruhiger,
intensiver Bilder, in denen sich Erregungszustände und lyrische Verhaltenheit im
wunderbaren Wechsel und ohne jede Effekthascherei spiegelten: Heinrich von
Kleists dramatische Prosa nicht veropert - sondern zwingend durch Musik
ausgedrückt.
Marianne Reißinger, TAZ 18.Februar 2003:
Manchmal nimmt sich Terterjan etwas zu viel Zeit, um Situationen auszumalen -
aber nicht nur das bringt selbst einen fanatsievollen Regisseur wie Claus Guth
in eine gewissen Not. Die Musik lässt ihm kaum Raum zur szenischen
Interpretation. Klug reduziert Guth deshalb seine Aktionen auf minimalste
Bewegungen auf einem weißen Kreuz, das Christian Schmidt im Parkett mitten im
Orchester plaziert. […] Claus Guth erspart sich - mit Ausnahme der brillanten
Lichtspiel-Effekte für das Erdbeben - fast alles Dekorative. Die Projektionen
seiner Videokünstler Alexander Buresch und Kai Ehlers aufs Kreuz deuten das
nahende Unglück, die grünen Wiesen und die flackernden Kerzen nur an.
Berenicé / Opera after Edgar Allen Poe by Johannes Maria Staudt / Libretto by Durs Grünbein/ Munich Biennale, 2004 / here: Trailer
Steffen Kühn, Leipzig-Almanach:
Auf der Bühne ein Ausschnitt einer modernen Villa. Das Erdgeschoss mit dem
Eingang und der Wagenvorfahrt gehört Poe, unmissverständlich am Nummernschild
E-A-POE seines Wagens zu erkennen, seine blutdürstige Muse malträtiert ihn in
und um seinen Wagen. Das Obergeschoss des Hauses ist komplett verglast. In den
dahinter liegenden drei Räumen wird die Welt unter der Schädeldecke
beispielsweise Egaeus' Albträume visualisiert, geschlossen durch Lamellen dienen
diese Flächen dann den Videoprojektionen von Kai Ehlers und Alexander Buresch,
die Videos abstrakt oder auch bildlich in direktem Bezug zur Handlung. Ein
traumhaftes, filmreifes Set, was durch die Sänger und Schauspieler, durch die
Lichtregie von Georg Boeshenz mit Leben gefüllt wird. […] In einem wahren
Feuerwerk an Ideen entstehen gespielte Szenen in den drei Räumen, die
Videoprojektionen stellen subtile Verbindungen zum Text her oder werden quasi
interaktiv von Egaeus mittels Kamera selbst erzeugt. Der Rausch von wunderbaren
Bildern ist der eigentliche Höhepunkt des Abends.
Pnima - Ins Innere / Opera by Chaya Czernowin / Munich Biennale, 2000 / here: Trailer
Bavarian Theatre Prize 2000
Roland Spiegel, Abendzeitung, 12.Mai 2000:
Eine Video-Fahrt durch München nach Dachau in verschleierten, schemenhaft
ins Allgemeine gerückten Bildern gibt den visuellen Rahmen ab. Eine
Leinwand fällt, und man blickt in einen kalten, kahlen Raum mit
Milchglasfenstern und bis in Kopfhöhe aseptisch grün lackierten Wänden -
den es in Dachau wirklich gibt, der hier jedoch als Chiffre für Trauma und
Aufarbeitung steht. In diesem Raum findet die Annäherung des Jungen und des
Alten aneinander und an die Geschichte statt. Sie berühren sich zunächst
nicht, sind sich völlig fremd. Allmählich blenden sich beide Welten
ineinander.
Das ist in Guths Inszenierung aufregend gut gelöst. Über die
Szene werden wechselweise Video-Bilder aus der jeweiligen Erfahrunsgwelt
projiziert - grüne Spielwiesen beim Jungen, schematisierte Gefängnis-Räume
und diffuse Schatten, die an Flammen erinnern, beim Alten.
Es entsteht ein Doppel-Psychogramm von immenser Eindringlichkeit. Bild und
Musik werden dabei zu einer so geschlossenen Einheit, das keines ohne das
andere denkbar ist.'
Christine Lemke-Matwey, Der Tagesspiegel, 12.5.2000:
'Ich glaube, wenn wir sehr intensiv das Leben spüren', sagt Chaya Czernowin,
'dann ist das nicht schön. Normalerweise ist das sehr unbequem. Es ist nie nur
schön. Es ist reicher als das.'. Und 'reich' ist dieses Stück: reich an
Geräuschen, reich an Klängen und Effekten, die in ihrer Intensität oft
Schmerzhaftes, Konfliktträchtiges formulieren - und niemals bloß illustrieren.
Auch Regisseur Claus Guth und sein Ausstatter Christian Schmidt sind dieser
Versuchung nicht erlegen.
Lange hat Münchens Musiktheater-Biennale eine derart professionelle, präzise
gearbeitete, hoch musikalische, ästhetisch eigenständige und dem
uraufzuführenden Stück dienende szenische Umsetzung entbehren müssen. Dabei
mutet die Wahl der Mittel ebenso virtuos wie simpel an: auf eine portalgroße
Leinwand wird in bewusst schummrigen, wackeligen Bildern eine Autofahrt
projiziert: vom Gasteig quer durch die Münchner Innenstadt hinaus Richtung
Dachau. Das dortige KZ freilich ist allenfalls zu ahnen, legt sich später, als
die Leinwand denn herunterfällt, fast nur grafisch, in matrizenähnlichen
Abzügen des berüchtigten Eisentores und der Pappelreihen im
Landschaftshintergrund, auf die Gesichter der Darsteller. Auch der Raum hinter
der Leinwand, ein schmuddeliger Keller oder Bunker mit abgeblättertem,
türkisfarbenem Schutzanstrich assoziiert gewiss mehr als 'nur' Historie, nur
Vernichtungsduschen und Zyklon B: Das Grauen, sagen diese Metaphern, kennt
täglich neue Gesichter. Blicken wir ihm ins Auge. Hören wir ihm zu. Erfinden
wir eine Sprache dagegen.